CO2-Bilanz bei Wein

Der Fakten-Check

Wer gelegentlicher Weintrinker ist, kennt eine vielzahl europäische Weine. Kein Wunder, denn diese liegen ja gleich um die Ecke und «local consumption» oder auch «no food waste» sind die neuen Trends in der Gesellschaft. Denn jeder möchte für den Planeten etwas Gutes tun und so grün wie möglich werden. Doch leider hilft der omnipräsente Ruf von europäischen Weinen, wenn man die Weinkarten der Schweizer Gastronomen anschaut, auch nicht wirklich. Denn der CO2-Ausstoss für den Transport dieser Weine, vom Erzeugerland bis in die Schweiz, ist zum Teil um einiges höher als beispielsweise aus Südafrika.

Wir von KapWeine haben uns auf Recherche begeben und legen die Fakten auf den Tisch!

Europa gegen Übersee respektive – Saubermänner gegen Underdogs 

Doch fangen wir von vorne an und vergleichen wir zusammen zwei realitätsgetreue Beispiele. Für Europa tritt eines der bekanntesten Weingebiete Spaniens, das «Ribera del Duero» an. Dieses Weinanbaugebiet liegt ca. 170 Auto-Kilometer nördlich von Madrid und ist ca. 1’500 Auto-Kilometer von Zürich entfernt.

Der Herausforderer aus Übersee liegt in Südafrika, um genauer zu sein aus dem bekannten Weinanbaugebiet «Stellenbosch». Dieses liegt ca. 40 Auto-Kilometer vom Frachthafen Kapstadts «Transnet Port Terminals Administration» und ca. 9’050 Luftlinien-Kilometer von Wädenswil/Zürich entfernt. Genaue Kilometerleistung der Fracht werden weiter unten zusammen berechnen.

Wie sieht eine typische Wein-Lieferung aus?

Ein Händler oder Importeur (wie KapWeine) bestellt seine Weine aus dem Ausland. Die Weinlieferung muss somit von A nach B transportiert werden, wobei Zeit, Kosten und CO2-Bilanz in einem vernünftigen Rahmen sein sollten. Gemäss heutigen internationalen Logistik-Standards kommt eine 75cl Weinflasche in einer 6er-Packung und gestapelt als Europalette, welche in grösseren Mengen in Containern verladen werden. So sind die meisten Paletten mit 480 oder gar 600 Weinen bestückt. Je nach Volumen das verfrachtet werden soll, muss das Optimum für die maximale Liefermenge in einem Container gefunden werden. Dabei gilt es, so viel Fläche und Raum zu nutzen ohne das Gesamtgewicht des zulässigen Container-Gewichts zu übertreten.

Jetzt fragen Sie sich sicher, wie viele Flaschen Wein in einem Container Platz haben und wo das Limit ist? Doch machen wir uns das Leben nicht noch komplizierter als es ist und belassen es auf einem einfachen Kalkulationsbeispiel mit folgenden Werten.

Eine Wein-Lieferung entspricht:

  • 40” Container mit 12.1 Lademeter
  • 24.5 Tonnen Gewicht
  • ca. 26 Europaletten
  • ca. 15’000 Weinflaschen à 75cl

Berechnung der Co2 Bilanz für beide Weingebiete

Dank moderner Hilfsmittel sind wir heutzutage sehr gut in der Lage die Co2-Werte für eine vielzahl von Produkten zu berechnen. So ist immer häufiger auch im Lebensmittelbereich eine Co2-Ampel anzutreffen, welche uns Auskunft über die Bedingungen liefert. Mittels der Webseite carboncare.org werden wir nun die beiden Wein-Kontrahenten gegenrechnen. Haben Sie schon einen Idee, wer der Gewinner sein wird?

Spanien – Ribera del Duero

Angefangen bei unserem spanischen Weinanbaugebiet «Ribera del Duero», wird ein 40” Container mit 24.5 Tonnen auf einen LKW verladen und bis nach Zürich Stadt transportiert. Wie auf dem nachfolgende Screenshot zu erkennen ist, wird die Luftlinie von 1147.46 Kilometer als Basis verwendet, wobei die Co2-Emissionswerte bei stolzen 1447.81 kg (TTW = Tank to Wheel), was sich auf das Fahrzeug, also den LKW bezieht. Uns interessiert aber der Wert mit 1759.86 kg (WTW = Well to Wheel), was soviel bedeutet, dass alle Schritte auch für die Gewinnung des Treibstoffs berücksichtigt wurden. 

Nun berücksichtigen wir die fehlenden Auto-Kilometer gegenüber der Luftlinie. Zu Anfang hatten wir die ca. 1’500 Auto-Kilometer berechnet. Somit fehlen in der Kalkulation noch 352,2 Auto-Kilometer. Dies bedeutet in einem einfach Dreisatz, dass wir noch 540.69 kg Co2 (WTW) hinzuzählen müssen. So kommen wir auf ein Co2-Total von 2300.551 kg (WTW). Dies entspricht bei einer Flasche Wein: 0.153 kg Co2.

Ribera del Duero (Spanien) – Zürich (Schweiz)

2300.551 kg CO2- Total (WTW)
0.153 kg CO2 pro 75cl Flasche Wein

Spanien-Schweiz KapWeine

Nun dies war noch der einfache Teil unseres Vergleichs. Ich hoffe ihr seid alle mitgekommen, denn es wird etwas komplexer.

Südafrika – Stellenbosch

Was für europäische Verhältnisse noch einfach zu berechnen war, wird nun wegen der grösseren Distanz und des vielschichtigen Transportwegs aufwändiger. Und wer sich jetzt denkt, da waren Luftlinien-Kilometer oben im Beitrag erwähnt worden – nein, wir sind keine südamerikanischen Drogen-Barone aus den 80ern, welche die Weine einzufliegen wagen, geschweige denn die Kosten dafür tragen könnten. Südafrika ist bereits grün, organic und nachhaltig in der Produktion und bei diesen Werten bleiben wir ebenfalls bei der KapWeine! Aber kommen wir zurück auf den Transportweg und die Co2-Bilanz. 

Unser Stellenbosch-Container fährt per LKW die ersten 40 Kilometer zum Hafen in Capetown. Dies entspricht 50.78kg (TTW) und 61.72kg (WTW).

C02-Stellenbosch-capetown KapWeine

Als zweiter Transportweg führt die Reise von Cape Town via MSC Container-Schiff bis nach Antwerpen (Belgien) zum europäischen Frachthafen. Dies entspricht einer Distanz von 11’378.13 See-Kilometer und schlägt mit 1583.38 kg (TTW), respektive 1’745.06 (WTW) zu buche. Die Überfahrt dauert ca. 3 Wochen.

C02-capetown-Antverpen KapWeine

Die dritte Station umfasst den Güterzug von Antwerpen (Belgien) bis nach Basel Stadt. Dies entspricht einer Strecke von 609.69 Kilometer, wobei die Co2-Bilanz dahinschwindet. 0.00 kg (TTW) und 69.15 kg (WTW). Hier sehen wir mal wieder, dass es nicht grüner geht als mit dem Zug!

C02-Antverpen-Basel KapWeine

In der vierten und letzten Strecke wird unser Container nochmals auf einen LKW verladen, damit dieser von Basel bis zu nach Wädenswil transportiert wird. Hier haben wir eine Strecke von 88.96 Kilometer mit 112.24 kg (TTW), respektive 136.43 kg (WTW).

C02-Basel-Wädenswil KapWeine

Fassen wir alle Werte nach WTW zusammen, so erhalten eine Co2-Emission von 2’012.360 kg (WTW), was bei einer Flasche Wein 0.134kg Co2 (WTW) entspricht. Hätten Sie das gedacht?

Stellenbosch (Südafrika) – Wädenswil (Schweiz)

2012.360 kg CO2- Total (WTW)
0.134 kg CO2 pro 75cl Flasche Wein

Wein aus Südafrika Hui! Europa Pfui!

Nicht alles was aus der Region, respektive aus Europa kommt ist zwangsmässig grüner! Auch Produkte aus Übersee können gut mithalten und gar besser in der Co2-Bilanz stehen.

90% weniger CO2

Eine Flasche Wein aus Stellenbosch (Südafrika) braucht 90% wniger CO2  als  aus Ribera del Duero (Spanien)

Wenn man bedenkt, dass unser Südafrika-Wein über 10’000 Kilometer mehr Strecke hinter sich hat, ist dies doch eine erstaunliche Leistung. Hier nochmals zum Vergleich.

Ribera del Duero → Zürich

  • 1’500 Kilometer
  • 2’300.551 kg Co2 (WTW)
  • 0.153 kg Co2 (WTW) pro Flasche Wein
  • 1.533 kg Co2 (WTW) pro Kilometer

Stellenbosch → Wädenswil

  • 12’116.78 Kilometer
  • 2’012.360 kg Co2 (WTW)
  • 0.134 kg Co2 (WTW) pro Flasche Wein
  • 0.166 kg Co2 (WTW) pro Kilometer

So können wir an alle appellieren, auch hinter die Kulissen zu blicken. Denn Südafrika mag zwar weit weg sein, aber hat eindeutig die besser Bilanz als viele Weine aus Europa.

Warum wird fernes, unbekanntes und gerade der Afrikanische Kontinent schlecht gesprochen?

Leider neigt der Mensch dazu, Unbekanntem, Neuem und Fremden skeptisch gegenüberzustehen. Ungewohntes wird meist kritischer hinterfragt als bekanntes und dann oftmals belächelt. Denn es kann doch nicht so gut sein, so zumindest unsere Erwartungen.

Gerne können Sie mal ein kleines Experiment durchführen und Leute fragen, was Sie als Erstes mit Afrika assoziieren? Meist werden sie bei Personen, welche noch nie nach Afrika gereist sind, folgendes hören: der wilde Kontinent, der schwarze Kontinent, Epidemien, Häuser aus Stroh, Flüchtlinge etc. Selten werden Sie hören, dass das Land wunderschön ist mit seiner Landschaft oder dass Sie dort Top-Qualitätsweine erhalten. Es ist schade zu sehen, dass wir trotz Globalisierung, noch immer kleinkariert denken und gewisses nicht wahrhaben wollen. Denn es gibt so vieles zu entdecken!

Doch zurück zum Wein und der weiteren Tatsache, dass Südafrika mit den kargen und ältesten Böden der Welt für Qualitätswein-Produktion prädestiniert ist. Denn wo in Europa lange der Trugschluss war, dass die Landwirtschaft mit Chemie, Pestiziden und technischen Hightech-Maschinen zu besser Ernten führt, kommt nun die Trendwende nach über 100 Jahren Agrarwirtschaft. Böden müssen wieder natürlicher und ökologischer sein, da sie oft überstrapaziert wurden und teilweise noch giftige Stoffe in sich tragen. 

Gerade hier ist Südafrika ist ein Paradebeispiel für biodynamische, ökologische und nachhaltige Landwirtschaft. Selbst die Bewässerung stammt aus recyceltem Abwasser und gegen Befall von Insekten wird mit anderen Insekten und Naturmitteln entgegengewirkt. Darüber hinaus wird viel für die Familien der Arbeiter getan, wie beispielsweise Renten aus Direktverkäufen oder Schulausbildungen sowie Wohnmöglichkeiten geschaffen. 

Wenn wir all diese Fakten und natürlich den Co2-Ausstoss für unsere Qualitätsweine berücksichtigen, so sollten wir alle umdenken und vermehrt Weinen aus Übersee, wie auch einem südafrikanischen Wein, eine Chance geben. 

PS:

Lokal, Bio und saisonal konsumieren ist gut. Aber bitte vergessen Sie nicht, dass es bei anderen Gütern wie einem T-Shirt (fast fashion) oder einem Smartphone mit seltenen Edelmetallen sowie dem Cobald für Elektroauto Batterien auch hinterfragt werden müsste. 

    Ein gelebter Traum

    Auch die Coop-Zeitung berichtet über historische Weingüter, wie Boekenhoutskloof mit dem bekanntesten Wein «The Chocolate Block » aus Südafrika.

    Weitere Co2-Transport Vergleiche aus Europa bis Zürich Stadt Schweiz auf dem LKW-Weg:

    Deutschland

    • Wiesbaden (Riesling) 442 km = 678.315 kg Co2 (WTW)

    Italien

    • Meran (Bozen) 281 km = 430.886 kg Co2 (WTW)
    • Piemont 378 km = 580.328 kg Co2 (WTW)
    • Florenz (Chianti) 563 km = 864.000 kg Co2 (WTW)
    • Linguaglossa (Catania) 1’571 km = 2’410.956 kg C02 (WTW)

    Frankreich

    • Bommes (Médoc): 1042 km = 1’597.681 Co2 (WTW)
    • Saint Cyr sur Mer (Provence) 801 km = 1229.100 kg (WTW)

    Portugal

    • Horta das Figueiras 2185 km = 3351.139 kg Co2 (WTW)

    Österreich

    • Wachau 685 km = 1050.591 kg Co2 (WTW)

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