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Zwei perfekte Wochen am Kap

Wein – und eine „AMOUR FOU“

von Alain Kunz

Sunset am Kap

Da warteten sie also wieder. All die Heckenschützen, Landstreicher, Tunichtsgute, Meuchelmörder und Tagediebe. Wie üblich. Jedes Mal dasselbe Theater, wenn man in Kapstadt landet. Eine Welt zum Fürchten. Abendlicher Ausgang nur möglich in gepanzerten Limousinen. Vom Hotel ins Restaurant. Bodyguard immer dabei. Zurück ins Hotel. Maximal an die Waterfront. Dort soll es einigermassen sicher sein. Und ja nicht irgendwo hin ohne Führung und Reisebegleitung. Man solle sich schliesslich nicht zum Selbstmörder machen.

Südafrika. Leicht überspitzt wird das Land ein gutes Jahrzehnt nach Aufhebung der Apartheid in etwa so beschrieben. Reisunternehmen schüren Ängste. Bewusst. Einschränkung des Individualtourismus ist gleichbedeutend mit höherem Umsatz. Eine falsche Gleichung. Südafrika heute, das ist ein friedliches Land mit einer Kriminalitätsrate, die an vielen Orten nicht viel höher ist als anderswo auf der Welt. Sicher: Die heissen Orte in Johannesburg soll man bei Nacht meiden. Auch die Townships in Cape Town. Doch: Gehen Sie bei einem New-York-Besuch in Harlem nachts auch – klunkerbehangen – bedenkenlos stundenlang spazieren? Oder wussten Sie, dass die Chance, Verbrechensopfer zu werden, in Hollywood nach Einbruch der Dunkelheit massiv höher ist als in selbst als kriminell verschrienen Städten? Dass es selbst in Zürich an gewissen Orten sehr, sehr heiss ist?

Nein. Südafrika hat sein Image nicht ganz zurecht. Das Land eignet sich für jede Art Tourismus. Individuell oder Herde. Relax oder Adventure. Klicken Sie sich ihre Ferien in den eigenen vier Wänden zusammen. Flug, Hotel, Mietauto. Kein Problem.
Und vor allem: Südafrika ist das Land, das alles bietet. ALLES! Und wenn ich sage alles, meine ich alles.

Was hätten Sie denn gerne in den Ferien: Strand? Wald? Steppe? Sonne? Regen? Winde? Berge? Shopping? Luxus? Backpack? Fünf-Sterne-Haus? Jugendherberge? Natur? Tiere? Sport? Abenteuer? Fine Dining? Wein? Bier? Abenteuerpark? Geschichte? Kultur?

In Südafrika haben sie alles.

Und deshalb wollen wir sie auch mitnehmen auf einen Trip in das südlichste Land des schwarzen Kontinents. Ich gehe eine Wette ein: Sind Sie einmal dort gewesen – sie kehren zurück. In Gedanken schon ein paar Tage nach ihrer Rückkehr nach Europa. Denn Südafrika ist in der Tat verdammt gefährlich. Es macht süchtig…
Die Story einer „Amour fou“.

Die Märkte – da wird ihnen schwarz vor Augen

Okay. Den Weg auf den Tafelberg oder an die Victoria and Alfred Waterfront muss ich ihnen nicht erklären. Den kennt und findet jeder. Alleine an diesen beiden Orten kann man sich problemlos zwei Tage verweilen.

Aber Cape Town ist auch anders. Zum Beispiel Robben Island. Sie werden auf dieser ehemaligen Gefängnis-Insel eine Bootsstunde von Cape Town weg Geschichte atmen – sofern ihnen der Atem nicht ganz geraubt wird. Erleben sie nochmals mit, welche Qualen die schwarzen Sklaven zu den schlimmsten Zeiten der Apartheid über sich ergehen lassen mussten. Und schauen sie sich die Gefängniszelle an, in welcher Nelson Mandela, Ex-Präsident von Südafrika und Landes-Ikone, jahrelang schmorte.

Viel über Kapstadt und seine Menschen erfahren sie auch auf den Märkten. Besuchen Sie mal den Einheimischen-Markt beim Bahnhof. Natürlich: Da wird einem ganz schön schwarz vor Augen. Macht nichts. Das ist der originäre Markt. Nichts, was es nicht gibt. Improvisierte Coiffeursalons inbegriffen. Tauchen Sie ein in das pulsierende Leben der echten Kapstädter. Schauen Sie ihnen zu, wie sie im unbeschreiblichen Minibus-Chaos den Überblick bewahren und den Weg nach Hause antreten.

Wenn ihnen das zu abenteuerlich erscheint: Es gibt noch andere Märkte. Den im Stadtzentrum in der Shortmarket Street. Und den in Green Bay, direkt vor dem Fussballstadion von Ajax Cape Town. Dort wird Kunsthandwerk gross geschrieben. Maschinell oder von Hand gefertigtes.

Allerdings: In Afrika ist das Meiste tatsächlich Handarbeit. Wunderschöne Sachen! Richten Sie ihre Wohnung einmal afrikanisch ein. Es ist eine wohltuende, warme Abwechslung. Und vergessen Sie eines nicht: Zu feilschen! Die Preise sind ohnehin wegen des für uns sensationell günstigen Rand-Kurses günstig. Aber die Verkäufer erwarten, dass sie mit ihnen über den Preis argumentieren. Gehört zum Spiel. Doch vergessen Sie eines nicht zu bedenken: Wie schaffe ich die Ware heim? Flugzeuge können in aller Regel nicht beliebig gestretcht werden…

Die Buren – holländisch zu Zeiten des Mittelalters

Szenenwechsel. Gehen wir ein bisschen weg vom Zentrum. Wenden uns der weissen Bevölkerung zu, den Buren.

Die haben Bier gern. Aber auch Wein! Und um den soll es hier gehen. Wein ist für die Südafrikaner mehr als nur ein Saft. Ein Exportprodukt, das ihnen im Ausland mehr und mehr Respekt verschafft.

Wein ist Lebenselixier. Wein ist kein Luxus. Wein ist ein alltägliches Genussmittel. Natürlich und hoch gesund (mit der Einschränkung, es nicht in exzessiven Massen zu sich zu nehmen, logo…). Was ich damit sagen will: Die Südafrikaner haben ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrem Wein. Wir hier leben in einem Land, das auch Weine produziert. Mitunter erstklassige. Aber wir trinken weitaus mehr Weine aus dem Ausland. Die Weintrinker lassen sich oft in die Kategorien Italiener, Franzosen, Spanier und Neuweltler einteilen. Oder sie sind Walliser.

Anders in Südafrika. Wegen des Rand-Kurses sind ausländische Weine exorbitant teuer. Selbst einfachste Gewächse. Als: Tun sie sich und ihrem Geldbeutel den Gefallen – und probieren sie sich durch die südafrikanische Weinwelt mit ihrer grossen Vielfalt.

Die Qualität wird von Jahr zu Jahr besser. Und die südafrikanischen Weine ernten die Früchte ihrer Anstrengung in Form von zunehmend hohen Punktzahlen und Auszeichnungen an wichtigen Weinausstellungen.

Wir sind jetzt in Century City, dieser Retortenstadt vor den Toren Kapstadts. Zwischen Downtown und Flughafen. Nicht weit von den Townships entfernt. Dort, wo die Bahnen des Abenteuerparks Ratanga Junction (absolut empfehlenswert!) täglich runterdonnern. Im anliegenden Shopping Center sind wir wieder in der Welt der Mehrbesseren und Touristen. Luxus (Diamanten!) und Marmor. Doch diesmal dominiert der Wein die edlen Hallen. Es ist die Zeit der „Wynfees“, des Weinfestes. Gesprochen wird in der Hauptsache Afrikaans. Jene Abart von Holländisch, die sich seit der ersten Kolonialisierung durch die Oranjes um Jan van Riebeeck im 17. Jahrhundert kaum mehr weiterentwickelt hat und heute als eine Art mittelalterliches Holländisch gilt.

Hier, an dieser Weinausstellung, lernt man viel über die Beziehung der Südafrikaner zum Wein kennen. Alle Alters- und Gesellschaftsschichten treffen sich da. Zum seriösen Degustieren (sofern das möglich ist in diesem Tohuwabohu) – oder einfach, um den Wein zu geniessen. Ausgelassen, unverkrampft, fröhlich. So, wie eben der Südafrikaner seinen Wein sieht. Kein Heiligtum, keine Ikone, kein Götzenbild. Nicht so, wie Wein bei uns an teils Orten mit allem möglichem Tamtam vergöttert wird. Nein. Wein ist Alltag. Wein macht Spass. Wein muss sein!

Werfen Sie einen Blick in die Zeitungen. Ob Cape Argus, Cape Times oder Die Burger (in Afrikaans). Und achten Sie darauf, ob irgendwo eine Weindegustation stattfindet. Es lohnt sich allemal. Nicht nur für den Weinfreak. Auch aus soziologischen Gründen. Sie werden viel über die südafrikanische Weinseele erfahren. Und treffen sie dann mit diesen Seelen zusammen, versuchen sie bloss nicht, sich über die Fussballresultate zu unterhalten. Das ist Sache der Schwarzen, mehrheitlich. Nein. Rugby und Cricket. Da sollten sie sich auskennen. Tun sie das nicht, bleibt als gemeinsamer Nenner immer noch…Golf.

Der Top 100 Restaurant Guide – unbedingt nötig

Verlassen wir kurz mal Bacchus und Co., um über das lukullische Korrelat zu sprechen: Das Essen! Fine Dining nennt es sich in Südafrika wie in allen Commonwealth-Staaten, wenn sie die Grenze des guten Geschmacks nicht direkt nach McDonald’s und Konsorten ziehen, sondern etwas weiter oben. Ich kann ihnen versichern: Es lohnt sich! Einerseits, weil die Haute Cuisine nicht die entschwebenden Sphären erreicht wie in unseren Breitengraden. Andererseits, weil sie problemlos erschwinglich ist. Um es anders auszudrücken: Unser wichtigster Reisebegleiter in Südafrika – neben Strassenkarte und John Platter’s Wine Guide – ist das Büchlein „Top 100 Restaurants in South Africa“. Die Ausgabe 2003 kostete 69.95 Rand. Das sind rund zehn Franken. Sie finden es in jeder Buchhandlung und an jedem Flughafen, oft auch in den Wineshops, denn Herausgeber ist das Wine Magazine. Wir haben eigentlich kaum einmal ein Bein in ein Restaurant gesetzt, das nicht erwähnt wurde in besagtem Guide. Es sei denn, wir wollten ein richtiges Steak essen. Dazu braucht es das Büchlein nicht. Und wenn Sie die besten Steaks haben wollen und nicht in einer Steak-Fast-Food-Kette landen wollen, suchen sie einen Famous Butcher’s Grill auf. Gibts in jeder grösseren Stadt, auch in Kapstadt.

Doch zurück zur südafrikanischen Küche. Sie ist nicht besonders leicht, oft aber sehr verspielt. Und wenn für unseren kontinentaleuropäischen Geschmack etwas zu viel Süsse dabei ist, dann sagen Sie den Engländern Dankeschön! Denn die sind bekanntlich auch mal in der Pionierzeit am Kap gelandet. Und haben unheiligerweise auch in der Gastronomie ihre Spuren hinterlassen.

Famos ist oft der Fisch, am frischesten natürlich der „catch of the day“, der Fang des Tages. In Südafrika heisst er „linefish“, was soviel bedeutet wie: Der Fisch, den wir heute an der Angelleine gehabt haben. Oder versuchen Sie den exzellenten Kingclip, der in seiner Konsistenz irgendwo zwischen Seezunge und Hummer liegt. In dieser Elite-Restaurantauswahl haben Sie übrigens auch die Gewissheit, eine gute Weinauswahl vorzufinden. In durchschnittlicheren Restaurants keine Selbstverständlichkeit.

Und deshalb hat etwas anderes in Südafrika Methode: BYO. Das hat weder was mit YMCA oder einer „Boat and Yachting Organisation“ zu tun, sondern ist die Abkürzung für Bring Your Own. Nimm Dein eigenes mit. Gemeint ist da der Wein, den man ihnen für ein bescheidenes Korkgeld öffnet und einschenkt, wie wenn es eine Flasche aus dem Restaurant-Keller wäre. Machen Sie mal Gebrauch von dieser Möglichkeit. Leisten sie sich eine schöne Flasche aus dem Wine Shop – und nehmen sie sie mit ins Restaurant. Niemand wird sie anstarren, wie wenn sie mit einer Horde Aliens im Schlepptau den Laden betreten. Wie bei uns. Nein. BYO. So normal wie Wind am Kap.

Und, last but not least: Kalkulieren Sie derzeit in etwa 50 Franken für zwei Personen ein – für einen Besuch eines Top-100-Schuppens. Inklusive Vorspeise, Hauptgang, Dessert, Wein, Mineral, Kaffee und Schnaps. A propos Schnaps: Es gibt tatsächlich südafrikanischen Grappa. Den Bekanntesten destilliert Grossmeister Giorgio Dalla Cia von Meerlust. Versuchen Sie mal den Reserva! Der Mann aus dem Friaul hat das Grappa-Machen am Kap nicht ganz verlernt… Doch zu ihm etwas später.

Sollten Sie von südafrikanischen Freunden eingeladen werden und es stürmt nicht gerade und die Temperaturen liegen nicht um den Gefrierpunkt – dann ist Zeit für einen Brei. Brei? Brei! So spricht man das aus, was die Südafrikaner unter einer Grillparty verstehen. Geschrieben wirds Braai. Spass macht es auf jeden Fall. Und Brei kriegen Sie keinen vorgesetzt. Aber jede Menge Fleisch und Fisch. Was es da so alles gibt, wie gross die abgepackten Fleischstücke sind verglichen mit den Bonsais bei uns – schauen sie mal in einem Supermarkt vorbei. Es macht eine ganze Menge Spass, dort durch die Gestelle zu lustwandeln. Oder werfen Sie mal einen Blick in einen Country Shop.

Der John Platter Guide – unerlässlich

Und zum Braai brauchts natürlich einen guten Tropfen. Einen möglichst kräftigen. 13,5% Alkohol im Minimum. Gibts in SA in Hülle und Fülle. Gute. Schlechte. Zunehmend gute. Jährlich spriessen Dutzende neuer Wineries aus dem Boden.

Der Platter Guide hatte 1983, bei seiner Erstausgabe, einen Umfang von 200 Seiten. Heute sind es über 500! Allein im Jahr 2002 gabs 500 neue Weine zu verkosten. Boomland Südafrika? „Wie eine Eruption des Vesuvs, nachdem er jahrelang geruht hatte“, zieht Cape of Wine Master Dave Hughes einen durchaus zutreffenden Vergleich heran für das, was in SA abgegangen ist, nachdem die Apartheids-Totenstarre sich gelöst hatte. Mit die renommiertesten Weingüter wie Antinori, Rothschild etc. kaufen Land, um gerüstet zu sein für später. Das Mikroklima am Kap ist perfekt – das steht unterdessen ausser Zweifel -, und es lässt die Bereitung absolut erstklassiger Gewächse zu. Ein Potenzial, das Jahr für Jahr mehr und mehr abgerufen wird.

Und seine Entsprechung findet in der hohen Benotung im John Platter Wine Guide, der eigentlichen Bibel für jeden Weinfreak am Kap. Geliebt und gehasst. Wie der Gambero Rosso und der Veronelli in Italien. Oder die Noten der Herren Parker und Gabriel und wie sie alle heissen. Das Besondere an diesem Führer ist, dass er sich nicht nur um die absolute Elite kümmert. Sondern eigentlich jeden erhältlichen südafrikanischen Wein unter die Lupe nimmt. Von der Genossenschaftsabfüllung bis zu einem Columella. Das macht den Guide speziell. Da er überdies alle Weinkeller (inkl. Reiseroute) und die Weinmacher beschreibt sowie Tipps für Restaurants und Übernachtungsmöglichkeiten in den Winelands gibt, ist er ein unentbehrlicher Helfer in manch heiklen Lage, in die sich ein Weinfreund manövrieren kann. Wie gesagt: Er gehört neben Restaurant-Führer und Strassenkarte zur Standardausrüstung jeder gepflegten Reise ans Kap.

Wir hatten die Ehre bei unserer letzten Visite am Kap im November 2002 der Buchtaufe beizuwohnen. Es war eine alles andere als trockene Sache. Sehr feucht. Sehr fröhlich. Sehr gut. Sehr südafrikanisch. Locker und unkompliziert. Alle Weine mit der Höchst-Sternzahl von 5 wurden ausgeschenkt. Und ohne Berührungsängste auch probiert – oft gings sogar darüber hinaus…

Das Kap und die Garden Route – Achtung, Affen!

Die Winelands sind eine Reise wert. Aber nicht nur. Pflichtprogramm ist auch eine Fahrt durch das Naturreservat Cape of Good Hope, also ans Kap der guten Hoffnung. Für Abwechslung nebst der fantastischen Landschaft mit seiner faszinierenden Flora sorgen die Baboons. Jene Affenart, die sich an die Menschen gewöhnt hat. Passen Sie auf, dass sie keine Cola verschütten oder diese im Blickwinkel der Affen trinken. Eine nicht einmal ganz ungefährliche Attacke dürfte auf sie warten. Und viel Spass für alle Gaffer dieses Affentheaters.

Für die meiste Abwechslung sorgt eine Fahrt entlang der berühmten Garden Route. Sie führt von Kapstadt nach Port Elizabeth. Vorbei an schroffen Mondlandschaften, an Walen (mit ziemlicher Sichtungsgarantie zur entsprechenden Jahreszeit), frei lebenden Straussen und Affen, Wildreservaten, Surfparadiesen wie Jeffrey’s Bay. In Plettenberg Bay zum Beispiel, dem St-Tropez Südafrikas, wartet auf Sie auch endlich warmes Meerwasser. Nachdem Sie den Schock des kalten Atlantikwassers in der Kapregion überwunden haben, werden Sie merken, dass es auch Meer in Südafrika gibt, das zum Bade lädt. Und die Wellen – gewaltig. Da brauchen Sie kein guter Surfer zu sein – oder gar keiner. Bodysurfing auf den kleinen Brettern, auf denen Sie liegen, oder ihr eigener Körper tuns auch. Spielerische Unterhaltung für Stunden ist garantiert!

Die Winelands – hüpfende Augen und durstige Seelen

Allerdings gilt das auch für die Winelands. Stellenbosch, das Epizentrum der südafrikanischen Weineruption, ist absolut mal eine halbe Tagesvisite wert. Die Universitätsstadt hat einige verträumte Winkel zu offerieren. Und Geschäfte, die an längst verflossene Zeiten mahnen. Zum Beispiel der Tante-Emma-Laden Oom Samie Se Winkel. Fast eine Stunde sind wir da drin geblieben. Krimskrams, echte Antiquitäten, frische Garten- und Teekräuter so weit das Auge reicht.

Viele Häuser im Kolonialstil machen Stellenbosch durchaus attraktiv. Und natürlich warten viele Wine Shops mit entsprechenden Degustationssälen auf durstige Seelen.

Das Reizvollste an den Winelands sind aber die Landschaften. Ihr Auge wird hüpfen vor Freude ob der enormen Reiz- und Farbüberflutung, die da auf Sie wartet. Keine Fahrt ist wie die andere. Mal ist es Wüste, wie in Durbanville. Mal kühleres Klima und Wälder wie in Constantia mit seinen Weingütern der ersten Stunde und tollen Weissweinen. Für Pflanzen- und Blumenfreaks ist eine Stippvisite der Botanischen Gärten von Kirstenbosch Pflicht. Und Liebhaber der Grande Nation werden mit Sicherheit einen Ausflug in die Hugenotten-Hochburg Franschhoek unternehmen. Wegen der Weine hingegen ist dieser kein absolutes Muss. Im Gegensatz zu Paarl, 60 km von Kapstadt weg. Das ist übrigens auch ein Vorteil. Die Mehrheit der verschiedenen Weinanbaugebiete ist keine Fahrstunde von Kapstadt entfernt.

Die Top-Weingüter – acht Experten-Tipps

Nehmen wir doch einige Weingüter unter die Lupe. Die Auswahl, das muss ich vorherschicken, ist ebenso subjektive wie der Reisebericht als ganzes.

Unbedingt empfehlenswert ist Meerlust. Dieses alte, im Jahr 1693 gegründete Anwesen hat seinen Aufschwung dem bereits erwähnten Signore Dalla Cia zu verdanken. Seit er als Weinmacher 1978 die Zügel in die Hand genommen hat, ist der Rubicon, das Flagship von Meerlust, zu einem Objekt der Begierde geworden. Das Paradoxe am „Mister“: Er baut seine Weine französisch aus, ist absoluter Frankreich-Fan und erinnert sich viel lieber an einen Jahrundert-Romanée-Conti als einen Sassicaia. Und gerade unübersichtlich ist das Angebot von Mister Dalla Cia nicht: Nebst dem Bordeaux-Blend Rubicon gibts einen Pinot Noir, einen Merlot und einen Chardonnay. Dazu Grappa. Basta! Das Gut und der „Mister“ sind alleweil einen Besuch wert. Denn Dalla Cia leitet die Weintours persönlich. Und nur er! Deshalb: Buchen ist unablässig. Das muss sogar frühzeitig erfolgen.

Noch weniger Weine in seiner Range hat De Toren, die Winery von Emil den Dulk: Nämlich bisher genau einen! Aber was für einen! Der Fusion V ist ein Verschnitt aus den klassischen Bordeaux-Trauben: Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Petit Verdot und Malbec. Der Fusion V hat es in sich! Und es gibt in sogar in gesteigerter Form: Als Director’s Reserve. Sicher einer der besten zehn Weine Südafrikas im Moment, der bei einer hochstehenden Bordeaux-Degu als Pirat kaum eine Chance hat, aufzufliegen.

Wie bei De Toren, so müssen sich auch bei De Trafford anmelden. Und sie brauchen Geduld. Irgendwo am A… der Welt, in einer Schlucht zwischen Stellenbosch und dem Helderberg fahren sie scheinbar endlos lang auf unpräparierten Strassen, dass Ihnen irgendwann unwillkürlich der Gedanke kommt: Shit, da habe ich die Farm wohl verpasst! Falsch. Sie liegt so weit hinten. Und der Weg lohnt sich. David de Trafford, ehemaliger Architekt, ist ein Perfektionist. Weniger in bezug auf das Ästhetische seiner Winery, aber auf seine Weine. Merlot, Cabernet, Shiraz gehören zur Topklasse am Kap. Mit dem Chenin Blanc hat De Trafford zudem den Chenin-Blanc-Wettbewerb des renommierten Wine Magazine gewonnen. Und der zuckersüsse Vin de Paille (Strohwein) erhält im Platter Guide absolute Höchstnoten.

Kanonkop. Der Name ist Programm. Und dieses heisst Pinotage. Nirgendwo anders wird die alte Mischung aus Cinsault und Hermitage so kultiviert wie auf Kanonkop. Weinmacher Beyers Truter, ehemaliger Rugby-Nationalspieler, ist es zu verdanken, dass die neben Chenin Blanc zweite nationalheilige Traube Südafrikas in die Welt getragen wurde. Und nicht bloss als Billigprodukt, sondern als Gesamtkunstwerk. Kanonkops Pinotage gehört fast jedes Jahr zu den Top Ten seiner Art. Und auch der Paul Sauer, ein Blend aus Cabernet Sauvignon (in der Regel 80 Prozent) sowie Cabernet Franc und Merlot ist bereits eine Kap-Legende.

Das Weingut Laibach, fest in deutscher Hand, besticht durch eine grosse Palette – einen immer besser werdenden Pinotage. Und durch eine Sicht auf den Simonsberg, die es in sich hat. Träumen sie sich mal die Sorgen frei, wenn sie vom Hochsitz auf dem Weingut die Sonne in den Reben untergehen sehen: Gorgeous, wie die Südafrikaner sagen würden. Doch zurück zum Wein: Mit dem hochkonzentrierten Pinotage 2001 hat es der deutsche Weinmacher Stefan Dorst erstmals unter die besten zehn der ABSA-Pinotage-Trophy geschafft. Herausragend ist auch das Flagship (Aushängeschild) Friedrich Laibach. Und absolute Schnäppchen (Gleichung: Viel Leistung für wenig Geld!) sind der Sauvignon Blanc und der Dessertwein.

Columella heisst der neue Stern in Südafrika. Stern? Ein Komet in x-facher Lichtgeschwindigkeit ist es eher! Eben Sadie hat etwas geschafft, was vor ihm noch niemandem gelungen ist: Mit seinem ersten eigenen Wein hat er gleich die Maximalnote von fünf Sternen im Platter Guide erhalten. Wow! Und dies übrigens völlig zurecht. Der Shiraz des ehemaligen Weinmachers von Spice Route ist so etwas von dicht, konzentriert, fleischig, fruchtig – Wahnsinn! Das Resultat darf allerdings nicht überraschen. Eben ist ein Verrückter. Wenn sie wissen sollen, was Perfektionismus ist, so reden sie mit dem Surfer. Sein ganzes Geld hat er in seine Winery gesteckt. Ein Dach über dem Kopf hat er nur, weil es Leute gibt, die an ihn glauben und ihm den Mietzins vorschiessen. Übrigens: Warum Columella? Warum lateinisch? Eben: „Ich wollte keinen englischen Namen für meinen Wein. Das wäre wie wenn man Punk-Rock als Background-Sound für das Louvre in Paris verwenden würde.“ Alles klar?

Wie bei Eben, so müssen sie sich auch anmelden, wenn sie Veenwouden besuchen wollen. Und das ist eine andere eine verrückte Story. Deon van der Walt, weltbekannter Operntenor mit (meistens) Wohnsitz in Zürich und Weinfreak, erfüllte sich seinen Traum, indem er in Südafrika Land für eine Winery kaufte. Als Weinmacher setzte er seinen Bruder Marcel ein, einen Ex-Golf-Profi. Und das Ziel ist ambitiös: Weltklasseweine zu machen. Deons Vorbild ist denn auch der Cheval Blanc. Ganz so weit ist es nicht. Aber wenn es so weitergeht – who knows? Der Merlot und der Classic (Cabernet Sauvignon und Franc und Merlot) sind jedenfalls zumindest am Kap schon absolute Spitze. Und auch die Winery ist ein Kunstwerk. Der Gärkeller ist als eine Art Auditorium ausgestattet. Wir warten gespannt auf das erste gemeinsame Konzert von Deon van der Walt und seinem Weingutinhaber-Kollegen Luciano Pavarotti…

Vergelegen. 1700 gegründet. Der vielleicht momentan kompletteste Betrieb am Kap. Architektonisch eine Augenweide. Historisch von Bedeutung. Önologisch hoch relevant mit einer breiten Palette. Seit André van Rensburg, ein Mann mit Ecken und Kanten und dann und wann sogar noch mehr, vor sechs Jahren den Laden übernommen hat, ist Vergelegen absolute Spitze. Da wären: Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc/Merlot, Merlot, Shiraz und das Flagship Vergelegen (Cabernet Sauvignon und Merlot). Dazu die Weissen Vergelegen White (hauptsächlich Sauvignon Blanc, dazu Semillon), Chardonnay und Sauvignon Blanc Reserve. Und last but not least, der Mill Race. Ein absoluter Preis-/Leistungsschlager!
Gluschtig geworden? Na hoffentlich! Wer Wein liebt und Südafrika noch nicht kannte, der wird sich verlieben. Da gebe ich eine Garantie ab. Die zweite.

Die weiteren Tipps – Tierlijagd und Las Vegas

Aber ihnen ist immer noch langweilig? Unvorstellbar. Aber bitte. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, sich am Kap zu verlustieren. Der Vollständigkeit halber (ein Anachronismus, da dieser Bericht jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit weit von sich weist) ein paar weitere Tipps, wie sie die Zeit totschlagen können. Wenn sie sie nicht „totschlagen“ wollen, so nutzen sie sie einfach, um ihren Horizont zu erweitern:

Safaris! Es muss nicht immer der Krueger-Park sein. Darf es aber auch. Es gibt noch viele weitere Parks. Und, glauben Sie mir, ich bin eigentlich kein Tierli-Freak. Aber Löwen, Rhinozerosse, Giraffen und Büffel auf freier Wildbahn – das lässt niemanden kalt! Und auch die Lodges nicht. Sollten sie zufällig Millionär sein oder zumindest annähernd – leisten Sie sich eine private Unterkunft. Das ist Luxus pur! Die Tierchen werden zusammengetrieben, während sie auf ihrem Hochsitz gerade an ihrem Frühstücksei knabbern. Gehören sie allerdings zu den Normalsterblichen, übernachten sie in den staatlichen Lodges, vor allem im Krueger-Park – und machen sie sich ihren eigenen Braai am Abend. Toll!

Sun City: Wenn sie Las Vegas mögen, werden sie auch Sun City gern haben. Eine künstliche Oase mitten in der Wüste. Mit allem Luxus, eigenem Flugplatz, künstlichem Strand etc. etc. Wie Las Vegas eben: Künstlich! Wers mag, mags, Wer nicht, mags nicht einfach nicht, der hasst es. Und dies nur schon wegen der Preise: Die haben dann gar nichts mehr mit dem Resten von Südafrika zu tun und sind häufig sogar höher als bei uns!

Hermanus: Gehen sie auf der Garden Route Whale Watching. Tatsächlich können sie die süssen Zierfische (pardon: Meeressäuger) schon vom Strand aus sehen. Kotzorgien auf wackligen und stinkigen Kuttern können sie sich sparen. Und wenn sie wissen wollen, wo sich die Tierchen lümmeln, der Whale Crier wird es ihnen sagen, ääh blasen!

Wars das? Das wars! Und zur Erinnerung nochmals die Basisausstattung für perfekte Ferien am Kap – das Survival Kit gewissermassen:

  • Einen Reisepass (möglichst nicht abgelaufen…)
  • Ein Flugticket (Einweg oder retour, wie sie mögen)
  • Ein Auto (ohne dieses sind sie doch etwas aufgeschmissen)
  • Eine Strassenkarte (gibts an jeder Tankstelle)
  • Eine Kreditkarte (ist wie in Amerika, sie können fast alles damit bezahlen. Mit ein paar Ausnahmen (siehe nächster Punkt).
  • Ein paar Rand (brauchen Sie zumindest für vier Dinge: Benzin! Trinkgeld! Markterrungenschaften! Und die Car Watcher! Während ihrer Abwesenheit passen die auf ihr Auto auf und werfen Geld in den Parkautomaten ein, sollte sich ein Polizist in der Nähe zeigen. Ein System, das ganz toll funktioniert! Dem Staat entgeht Geld. Die Watcher haben dafür einen Job. Und das mit dem Aufpassen auf die Autos ist kein Witz! Die Watcher kontrollieren sich gegenseitig. Wer Mist baut, wird geächtet. Gnadenlos. Ist seinen Job los!)
  • Ein Pulli (am Kap ist es auch im Sommer oft verdammt windig, vor allem am Abend)
  • Ein John Platter South African Wines 2003 Guide (mit Beschreibung aller Weingüter, Öffnungszeiten, Routen, Hotels- und Restaurant-Empfehlungen in den Winelands)
  • Ein Büchlein Top 100 Restaurants in South Africa
  • Die Portfolio Collection: Sollten Sie kein Hotel von hier aus gebucht haben, ein kleiner Tipp: Für die Winelands finden sie Empfehlungen im Platter Guide. Für die Stadt sind in jedem Führer genügend Ideen drin. Und für alles andere gibts die Portfolio-Collection-Büchlein (gibts in jedem Tourist-Info gratis). Gute Übernachtungsempfehlungen in drei verschiedenen Kategorien: Bed and Breakfast, Retreats sowie Country Places und Safari.

ALAIN KUNZ, SAL
(= South Africa Lover) (© Text und alle Fotos Alain Kunz, CH-6330 Cham)

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